Entfaltung der Formen

Das charakteristische Schema des Zisterzienserklosters entsteht in einem kurzen Zeitraum zwischen 1140 und 1160 und modifiziert die klassische Raumanordnung eines Klosters, wie wir sie bei fast allen Klöstern seiner Zeit wiederfinden. Die funktionale Anordnung der Räume rund um den Kreuzgarten wird dabei verbessert und den besonderen Anforderungen der Zisterzienser angepasst. Aber auch im Zisterzienserorden hat sich das entwickelte Schema des Idealplanes nicht überall durchgesetzt. Es gibt fast kein Kloster, in dem es seine komplette Entfaltung gefunden hat. Vielmehr bietet der Idealplan eher eine neue Grundorientierung, die oft nur in Einzelheiten angewendet wird.

 

Schauen wir die Grundrisse der einzelnen Abteien an, so orientieren sich die Gebäude mustergültig an einer idealen Anordnung des Planes, wie wir es hier aufzuzeigen versuchen - jedoch mit einer Vielzahl an lokalen Variationen. Die Entfaltung des Schemas richtet sich an den verschiedenen Grundforderungen der zisterziensischen Bauvorschriften aus:

Gerade geschlossener Chor

Zu den klassischen Reformgedanken in der Architektur der Zisterzienser gehört der gerade geschlossene Chor. Einfachkeit und Vermeidung von Aufwand führen zu einer Reduktion der Formen. Der in Clairvaux entstandene Brauch des gerade geschlossenen Chors findet sich bald überall bei neunen Gründungen (Fontenay, Eberbach, Maulbronn) und verdrängt den auch im Orden üblichen romanischen Staffelchor (Le Thoronet, Schönau, Georgental). Bezeichnenderweise wird gerade dieser Gedanke in Clairvaux selbst sehr schnell wieder aufgegeben und in einen halbrunden Chorumgang umgeformt.

Verlängerung der Gebäudeflügel

Eine gerade für den Zisterzienserorden týpische Entwicklung ist die Verlängerung der Gebäudetrakte über das Viereck der Klausur hinaus. Die große Zahl von Mönchen und Konversen machte eine Vergrößerung der Dormitorien im Obergeschoss nötig wodurch auch im Erdgeschoss neue Raumangebote möglich wurden (Brudersaal, Noviziat, Kellerräume, Speisesaal für die Konversen).

Zentrale Anordnung der Räume

Alle Räume der Klausur gruppieren sich um das Geviert des Kreuzgangs, das sich in einem Quadrat an die Südseite der Kirche anlegt. Alle Räume des Klosters sind von hier aus zugänglich und folgen dem Tagesablauf der Mönche.

Verdrehte Achse

Zu den genialen pragmatischen Lösungen des Klosterbaus der Zisterzienser gehört die Drehung des Speisesaals um 90 Grad. Zunächst trägt auch dies der wachsenden Zahl der Mönche Rechnung. Darüber hinaus erweist sich dies auch als architektonischer Gewinn in einer besseren Beleuchtung der Räume und der Ausrichtung der Tagesräume nach dem Lauf der Sonne. Gerade das Refektorium erhält zur Mittagszeit das volle Sonnenlicht und natürliche Wärme. Die typische dreiachsige Anordnung der der Konventgebäude wird zu einem der charakteristischen Merkmale der Zisterzienserarchitekutr.

Funktionale Versorgung

Den frei werdenden Platz zwischen den beiden Hauptflügeln und dem Speisesaal füllt der Klosterplan der Zisterzienser durch Funktionsräume auf, die nach beiden Seiten hin benutzbar sind: links neben dem Refektorium befindet sich der Wärmeraum, rechts davon die Küche. Die zwischen den Refektorien der Mönche und Konversen gelegene Küche kann nun beide gleichzeitig bedienen.

Klostergasse

Eine der eigenartigsten Entwicklungen der Zisterzienserarchitektur ist die Entstehung der Klostergasse. Zwar wurden vom Orden die Konversen im Westflügel der Klausur mit aufgenommen - aber durch einen eigenen Bereich in der Klausur und in der Kirche wieder von den Chormönchen getrennt. Die Klostergasse bringt dies in vielen Klöstern deutlich zum Ausdruck. Die Klausur der Lauenbrüder wird nun um einen weiteren Gang nach Westen verschoben, der parallel zum Keuzgang verläuft. Durch diesen Gang werden die Wirtschaftsräume, die Wohnräume der Konversen mit dem hinteren Teil der Kirche verbunden, ohne die Ruhe der Klausur der Chormönche zu stören. Doch nicht in allen Klöstern findet dieser Gedanke Zustimmung - sicher nicht nur aus Kostengründen.