Aufbruch der Frauen
Rund ein Jahrhundert nach der Gründungswelle der Zisterzienser kommt es in Europa zu einem neuen monastischem Aufbruch, der sich der Regel Benedikts und den Idealen der Zisterzienser anschließt. Die begeisterte Hinwendung zum Leben hinter den Klostermauern überrascht die weißen Mönche selbst. Immer mehr neu gegründete Konvente versuchen sich dem Orden anzuschließen oder werden dazu von den Bischöfen aufgefordert. Dieses mal sind es die Frauen. Hunderte schließen sich zu Gemeinschaften im Sinne von Cîteaux zusammen. In nur kurzer Zeit zwischen 1200 und 1270 entstehen über 800 Frauenkonvente in ganz Europa, mehr als es Männerklöster je im Orden gegeben hat.
Die Anfänge der Zisterzienserinnen sind jedoch immer noch nicht eindeutig geklärt. Zwar kommt es schon früh zu Angliederungen von Frauenklöstern an bestehende Abteien (z.B. 1125 der Konvent von Tart unweit von Cîteaux); dennoch scheinen sich die Männerklöster mit den Frauen schwer getan zu haben. Lange Zeit weigerte sich der Orden, Frauenklöster in den Klosterverband aufzunehmen. Erst 1228 fand die erste offizielle Eingliederung eines Konventes in den Orden statt. Auch über diesen Zeitpunkt hinaus gab es viele Konvente, die sich wohl an die Einhaltung der zisterziensischen Gepflogenheiten hielten, sich dem Orden aber nicht anschlossen. Der Grund dafür lag wohl darin, dass die Frauenklöster beim Beitritt zum Orden ihre Unabhängigkeit verloren und sich dem Vaterabt eines Männerklosters unterordnen mussten. Dieser achtete nach dem Beitritt auf die Einhaltung der Gebräuche und regelte die wirtschaftlichen Belange. Gleichzeitig erhielten die Frauenkonvente Unterstützung durch Konversen des Ordens für ihre Güter und wurden durch Beichtväter seelsorgerlich betreut.
Verschiedene Wege
Die Gründung zweier Zisterzienserinnen-Klöster veranschaulicht den Prozess der Eingliederung in den Zisterzienserorden im 13. Jahrhundert:
- Die Geschichte des Klosters Heiligkeuztal beginnt im Jahr 1227 mit dem Erwerb des Grund und Bodens des heutigen Klosters von einer Gruppe von Frauen, die sich zum gemeinsamen Leben im nahe gelegenen Ort Altheim zusammen geschlossen hatten. Dies geschah im Beisein des Abtes Eberhard von Rohrdorf aus Salem, der den Vorgang beurkundete. Dazu kam eine Stiftung des Adligen Konrad von Markdorf. 1231 erhalten die Schwestern einen Schutzbrief des Papstes Gregor IX. Und 1233 wurde der Konvent durch das Generalkapitel der Zisterzienser „auf ihre Bitte und auf Befehl des Papstes“ in den Orden aufgenommen. (vgl. Ursmar Engelmann, Heiligkreuztal, S. 10).
- Etwas schwieriger verläuft es beim Kloster Lobenfeld bei Dilsberg am Neckar. Meniglach von Obrigheim stiftet hier zunächst ein Chorherrenstift, das 1223 und 1259 an die Augustinerinnen übergeht, die vermutlich ab 1270 nach der Zisterzienserregel leben. Zu großem Wohlstand kam die Abtei nie und wird 1459 im Rahmen der Bursfelder Reform benediktinisch. 1560 resigniert die letzte Äbtissin. (vgl. Pfister, Klosterführer S.80)
Die Entstehung der Zisterzienserinnen ist eng verbunden mit der religiösen Frauenbewegung im 13. Jahrhundert. Besonders in den nördlichen Ländern Europas drängen die Frauen auf eine eigenständige Lebensweise in religiöser Gemeinschaft (etwa in den Beginenhäusern). Ihre asketisch Absicht verbindet sich mit einer empfindsamen Einfühlungskraft für den Glauben. Viele Frauengemeinschaften, die sich den Zisterziensern anschlossen, bringen ein reges geistliches Leben hervor. Die spirituelle Ausdruckskraft schlägt sich in Liedern, Bildwerken oder geistlichen Schriften nieder, von denen zahlreiche Konvente Zeugnis geben. Die bekannten Mytikerinnen des mitteldeutschen Klosters Helfta (Mechtild von Magdeburg (*1207 +1282), Mechtild von Hakeborn (*1231 +1291) und Gertrud (Die Große) von Helfta (*1256 +1302). ) verbinden sich mit dieser Strömung ebenso wie die Bildwerke des Klosters Heiligkreuztal, die von der Minne, der Liebe zu Christus als dem Freund der Seele spricht. Mystiker wie Johann Tauler oder Heinrich Seuse pflegten den Kontakt zu den frommen Frauenkonventen in Oberdeutschland.
Zitat
Herr, du bist mein Geliebter,
Meine Sehnsucht,
Mein fließender Brunnen,
Meine Sonne,
Und ich bin dein Spiegel.
Ich stürbe gern aus Liebe, könnte mir das geschehen,
Denn jenen, den ich liebe, den hab ich gesehen
Mit meinen lichten Augen in meiner Seele stehen.
(Mechthild von Magdeburg)
Trotz ihrer weiten Verbreitung und der großen Zahl ihrer Gründungen wurden die Frauenklöster des Ordens bisher nur wenig gewürdigt. Die künstlerische Qualität ihrer Klosterbauten steht denen der Männerklöster nur kaum nach. Oft einfacher gebaut und bescheidener ausgestattet verkörpern viele Gründungen gerade deshalb den zisterziensischen Geist in besonderer Weise (z.B. Gnadental). Der charakteristische Unterschied zu den Männerklöstern liegt in der Gestaltung der Klosterkirche. Da den Frauen der Zugang zum Priesteramt verwehrt wurde, nahmen sie am Gottesdienst in der Klosterkirche getrennt von der Laienkirche auf der Nonnenempore teil. Das besondere religiöse Leben des Konventes spielte sich jedoch gerade hier beim Chorgebet der Klosterfrauen ab.